Prozess gegen Türkische Hells Angels in Köln


Auftakt im Prozess gegen den Rocker Vize-Präsident der Hells Angels C-Town und  sieben Rocker Brüder (22 bis 26). Es geht um brutale Revierkämpfe der Rocker in Köln, die Bildung einer kriminellen Vereinigung und sogar einen versuchten Mord.

Freundlich begrüßt Serkan A. seine Anwälte Martin Bücher und Carsten Rubarth, antwortet dann höflich auf die Fragen der Richterin nach seinen Personalien. Im Zuschauerraum sitzen seine Eltern, der kleine Bruder, die Verlobte, Rocker Kumpel. Fast wie ein Familientreffen: Begrüßungsrufe und Klatschen für ihn und die anderen Angeklagten.

Starke Sicherheitsvorkehrungen sind angeordnet. Es wurde ein Kuttenverbot verhängt. Auf mehr als 300 Seiten sind die Vorwürfe der Anklage aufgelistet:Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Mit anderen habe sich Serkan A. ab Ende August 2014 als eigenständiges Charter der Hells Angels zusammengeschlossen. „Gründungsmitglied“ war auch der Mitangeklagte Engin K. (26). Serkans Bruder Erkan A. (30) ist Präsident.

Auch Erkan A. soll an den Taten beteiligt gewesen sein. Doch er sitzt nicht auf der Anklagebank. Er hat sich inzwischen in die Türkei abgesetzt.

Die Staatsanwältin schildert, worin sie die Bildung einer kriminellen Vereinigung sieht: „Die Gruppe errang im Verlauf des Jahres 2015 eine Vormachtstellung in Köln unter Begehung zum Teil erheblicher Straftaten. Sie betrachteten das linksrheinische Köln als ihr Revier.“

Geschäfte der Mitglieder seien unter den Schutz der Gruppe gestellt worden, „die bis zu Tötungsdelikten das Revier und die Geschäfte der einzelnen Mitglieder verteidigt“.

So setzten sich demnach die C-Town Rocker erst gegen die Hells Angels Cologne durch. Prügelten auf Mitglieder ein, schossen auf deren Wohnungen.  Auch als sich im Dezember 2014 ein neues Charter in einem Bistro gründen wollte, fielen Schüsse. „So wollten sie die Ansiedlung in Köln verhindern.“

Einem befreundeten Wirt eilten die Rocker laut Anklage im März 2015 zu Hilfe. Fußballfans hatten in der Shisha-Bar „Hangover“ die Zeche prellen wollen. Der Wirt bat Serkan A. um Hilfe. „Durch sein Eingreifen waren in einem Zeitfenster von knapp 25 Minuten mehrere Unterstützer aus der Gruppe in der Bar.“

Nach einem Einbruch in die Bar „Hangover“, die Treffpunkt der Rocker war, sei es dann im November 2015 sogar zu einem Tötungsdelikt gekommen.

C-Town-Präsident Erkan A. und andere Rocker sollen erfahren haben, dass die angeblichen Einbrecher sich in der Nacht vom 19. auf den 20. November in der Gaststätte „No Name“ aufhielten. Schüsse fielen, ein Mann starb. Seitdem tauchten Erkan A. und sein Kumpel Ibrahim K. unter.


„Seitdem leitete Serkan A. das Charter“, so die Staatsanwältin. Den „Exil-Präsidenten“ hätten die Rocker mehrfach besucht und in der Türkei mit Geld versorgt. Auch jetzt sei das für Serkan und die anderen in Haft sitzenden Rocker so.

Bis zu 2200 Euro Schutzgeld im Monat – so die Anklage – zahlten die Betreiber einer Bar auf der Aachener Straße an Serkan A.

Doch dann kürzte der Clubchef die Zahlungen. Da soll Serkan A. ihn bedroht haben: „Dein Laden wird kaputt gehen.“ Gut zwei Wochen später zogen Hells Angels im Februar 2015 vor der Bar auf, feuerten auf die Glastür.

Weil er unter Verdacht des Dieseldiebstahls stand, sollen Serkan und Erkan A. dann einen Mann in einer Firma am Eifeltor bedroht haben. Der bestritt den Vorwurf, soll geschlagen worden sein: „Er ging stark blutend zu Boden und verlor das Bewusstsein.“

Am 16. Juni 2015 verletzten wohl die Rocker an einem Büdchen am Kölnberg den Sohn des Büdchenchefs, seinen Bruder und die Mutter durch Schüsse schwer. Die Staatsanwältin: „Im Vorfeld war es zu Differenzen hinsichtlich der Geschäfte in der Drogenszene dort gekommen.“

Die Rocker hätten dort 20 000 Euro Schutzgeld pro Monat kassiert. Der Sohn habe sich da „nachteilig“ eingemischt.

„Es bestand aus ihrer Sicht Veranlassung, ihn anzugreifen, um das Fehlverhalten zu ahnden und Dritte abzuschrecken. Sie wollten die illegale Einkommensquelle erhalten und aus übersteigertem Ehr- und Revierbewusstsein klarstellen, dass sich niemand an ihnen vorbei am Kölnberg betätigen durfte.“

Da sollen sie die Brüder unter dem Vorwand eines Gesprächs aus dem Büdchen gelockt haben. Dort lauerten offenbar schon die Rocker, taktisch aufgeteilt in drei Gruppen, die auf ihren Einsatz warteten. Die Anklage: „Erkan A. begrüßte ihn durch freundschaftliches Schulterklopfen. Einer Gefahr war sich das Opfer nicht bewusst.“

Doch schon nach einem kurzen Gespräch schlug Erkan A. ihm mit einem Messer in den Nacken. Eine Prügelei, dann schossen die Rocker auf die Brüder und auch die Mutter, die aus dem Kiosk gelaufen war. Die Brüder mussten auf der Intensivstation versorgt werden, auch die Mutter wurde schwerverletzt.

Die Opfer hätten keine Chance zur Flucht gehabt. Denn die Rocker hätten das Gelände so gesichert, dass die Brüder nicht heraus und niemand herein kam. Außerdem geht es in dem Verfahren auch um Marihuanaplantagen. Deshalb wird auch in einem weiteren Prozess schon gegen acht Männer verhandelt.

40 Minuten lang verlas die Staatsanwältin die Anklage. Die angeklagten Rocker schwiegen am Montag beim Prozessbeginn. Sie ließen durch ihre Anwälte erklären, dass sie keine Angaben machen werden. Auch gegenüber einem zu beauftragenden psychiatrischen Sachverständigen wollen sie sich nicht äußern.

Die Staatsanwältin gab zu bedenken: Angesichts der Vielzahl der schwerwiegenden Straftaten könne für Serkan A. sogar Sicherungsverwahrung ins Gespräch kommen. Dann sei ein Sachverständiger zu beteiligen.

Bisher sind 61 Verhandlungstage bis zum 21. Dezember angesetzt. 149 Zeugen sind geladen, vier Sachverständige sollen gehört werden.

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