Zeugen berichten von Chaos bei Hells Angels Schießerei

Im Prozess um die mutmaßliche Hells Angels Rocker Schießerei am Vatertag 2016 in Frankfurt erinnern sich die Zeugen gut an die Panik – aber kaum an den Schützen. Eine wichtige Zeugin fehlte zudem.

Im Prozess um Schüsse eines mutmaßlichen Mitglieds der Rockerbande Hells Angels in der Frankfurter Innenstadt haben die Zeugen nur vage Erinnerungen an den Schützen. «Es wurde so häufig geredet, dass es jetzt schwierig ist zu sagen, was einem vielleicht ein anderer eingebläut hat», sagte eine 23-jährige Studentin am Dienstag vor dem Landgericht Frankfurt. Bei dem Vorfall vor gut einem Jahr am 5. Mai 2016 wurden zwei Personen schwer verletzt. Der mutmaßliche Schütze, der damals 56 Jahre alt war, steht derzeit in Frankfurt vor Gericht.

Die Studentin beschrieb den Schützen mit dunklen Haaren und weißem T-Shirt. An viel mehr könne sie sich wegen der Aufregung nicht erinnern. Sie arbeitete in einem Café in der Nähe des belebten Friedrich-Stoltze-Platzes, wo der Angeklagte das Feuer auf die Opfer in einem Geländewegen eröffnet haben soll. Der Mann am Steuer wurde von den Schüssen lebensgefährlich, ein jüngerer Begleiter auf dem Rücksitz schwer verletzt. Die Leute seien nach den Schüssen gerannt und dabei hingefallen, sagte die Studentin. Sie habe Menschen ins Café getrieben und Schaulustige von den Fenstern ferngehalten.

„Wie ein Aufstand“
Es sei wie ein Aufstand gewesen, sagte ein 61-jähriger Mann, der Gast in dem Café war und sich nur etwa zehn Meter vom Tatort entfernt aufhielt. Er beschrieb den Schützen mit Mütze und kleiner Statur. Aber auch er betonte mehrmals, dass die Erinnerung schon sehr verblasst sei. «Weil das so schnell ging.»

Auch zwei weitere Zeugen sagten nichts Konkreteres. Ein 31-Jähriger, der ebenfalls im Café saß, sagte, er habe nach dem ersten Schuss nur eine Sekunde geschaut und sei dann nur noch gerannt. Da er sich über Zeugenbeistand am Gericht erkundigt hatte, fragte die Richterin ihn, ob er unter Druck gesetzt worden sei. Er verneinte.

Eine weitere Studentin, die auch in dem Café kellnerte, wollte eigentlich gar nicht aussagen. Sie habe aber keine Angst. «Es ist unangenehm», sagte sie der Richterin lediglich. Eine geladene Zeugin, die als Dritte im Geländewagen des Opfers gesessen haben soll, erschien nicht zur Verhandlung – ohne Entschuldigung. Die Anklage wirft dem Angeklagten versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen, gefährliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz vor. Er und ein flüchtiger Komplize sollen Ex-Mitglieder des verbotenen Hells-Angels-Charters Westend gewesen sein.

Vorgeschichte führt nach Gießen
Zur Vorgeschichte: Im Juli vor zwei Jahren werden bei einer Schießerei am Rande des Frankfurter Bahnhofsviertels fünf Männer verletzt. Einer von ihnen: Aygün Mucuk aus Gießen, ehemals Mitglied der Frankfurter, nun mit eigenen Machtansprüchen. Am Rande des Bahnhofsviertels sind er und seine Jungs die Aggressoren. In jedem Fall ist der Angriff ein Affront gegen den starken Mann von Frankfurt, den dortigen Präsident »Schnitzel Walter« Burkhard und seine Traditionalisten. Eine der Kugeln jedenfalls, die vor dem »Katana-Club« durch die Luft fliegen, trifft Angreifer Mucuk, verfehlt sein Herz nur knapp. Jener Hells Angel, der auf ihn geschossen hatte, wurde nicht verurteilt: Notwehr. Das Gießener Charter war damals offiziell noch nicht einmal gegründet. Erst wenige Monate später holten Mucuk und seine Männer das nach.

Über ein Jahr bleibt es ruhig. Doch von einem andauernden Frieden kann keine Rede sein, wie sich dann am Vatertag 2016 zeigt. Zuvor hatte es das Krisengespräch in dem Frankfurter Hotel gegeben, das für einen Beteiligten mit einer gebrochenen Nase endete. Aygün Mucuk soll mit am Tisch gesessen haben. Eines der Opfer der darauf folgenden Schießerei – das rausgeworfene Mitglied – war Mitglied der Hells Angels Nomads Turkey. Diese wiederum waren zentral an der Gründung der Charters beteiligt. Im Oktober 2016 wurde Mucuk vor dem Clubhaus »seines« Charters in Wißmar mit mehreren Schüssen hingerichtet.




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