Mord an Aygün Mucuk nach wie vor unaufgeklärt


Diese Nachricht hat vor einem Jahr bundesweit für viel Aufsehen gesorgt: Im Oktober 2016 wurde Aygün Mucuk, Präsident der Hells Angels MC Giessen in Wißmar ermordet.

Mittlerweile ist bekannt, dass der Präsident der Gießener Hells Angels von 17 Kugeln getroffen wurde. Im Interview spricht der zuständige Staatsanwalt Thomas Hauburger über die Ereignisse, den Stand der Ermittlungen und Schwierigkeiten bei der Suche nach den Tätern.

Können Sie die Ereignisse rund um die Ermordung des Gießener Präsidenten der Hells Angels, Aygün Mucuk, im Oktober 2016 noch einmal kurz skizzieren?

Am 7. Oktober wurde Aygün Mucuk auf dem Gelände der Hells Angels in Wettenberg-Wißmar tot aufgefunden, offenbar von der Putzfrau. Das war am frühen Morgen gewesen, kurz danach ging ein Notruf bei der Polizeileitstelle in Gießen ein. Einsatzkräfte wurden natürlich sofort zum Tatort entsandt.

Das LKA kam hinzu, die Staatsanwaltschaft, die Rechtsmedizin. Letztendlich hat man Aygün Mucuk vor seiner Wohnung, die an dieses Clubheim angrenzte, tot aufgefunden. Im Zuge der Obduktion ergab sich, dass er offenbar von mindestens 17 Schüssen getroffen worden war und deshalb verstarb.


Was können Sie zum aktuellen Stande der Ermittlungen sagen?

Die Ermittlungen waren insgesamt sehr, sehr umfangreich. Es gab eine Vielzahl von Dienststellen, die beteiligt waren. Ich zähle sie noch mal auf: die Staatsanwaltschaft, das LKA, die örtlich zuständige Polizei, die Rechtsmedizin. Alle haben zusammengearbeitet und hatten ein Ziel:

Tatverdächtige zu ermitteln und gegebenenfalls festzunehmen. In diesem Zusammenhang hat man sehr umfangreiche Zeugenbefragungen durchgeführt. Wir haben allein formell über 60 Zeugen vernommen, haben weit über 100 Hinweise in der Vergangenheit abgearbeitet, DNA-Spuren-Untersuchungen gemacht, haben auch ballistische Untersuchungen gemacht, die interessante Ergebnisse zutage förderten.

Was haben Sie bei diesen ballistischen Untersuchungen festgestellt?
Insbesondere konnten wir feststellen, dass bei dem Tötungsdelikt zwei Waffen verwandt worden sind: eine Handfeuerwaffe 7,65 Millimeter und eine kleine Maschinenpistole, die im Milieu als „Schweinchen“ bezeichnet wird. Diese Maschinenpistole namens Vugrek Agram 2000 wird selten eingesetzt. Wir haben in dem Zusammenhang aufsehenerregende Öffentlichkeitsfahndung gemacht bei „Aktenzeichen XY“ und in der örtlichen und überregionalen Presse. Dabei war das Ziel, mehr über den etwaigen Waffenlieferanten zu erfahren. Wir haben im Kontext der Ermittlungen natürlich eine Vielzahl von Hinweisen bekommen, weit über 100. Die wurden in der Folge akribisch abgearbeitet. Es wurden Tat-Hypothesen erstellt. Letztendlich ist es aber nicht gelungen, eine oder mehrere Personen festzusetzen. Das Tötungsdelikt ist nach wie vor ungeklärt.

Ha Belohnungen die Ermittlungen vorangebracht?ben die ausgesetzten
LKA und Staatsanwaltschaft haben zusammen 10 000 Euro ausgelobt. Daraufhin kamen auch Hinweise, allerdings haben die nicht dazu geführt, dass wir einen Täter ermitteln konnten.

Wer ermittelt jetzt noch konkret?
Federführend ist die Staatsanwaltschaft Gießen, gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Wiesbaden.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Diensten? Man muss sich das in etwa so vorstellen: Die Hinweise laufen in aller Regel entweder bei örtlichen Dienststellen oder beim LKA direkt auf und kommen dort in die Abarbeitung. Das heißt, mehrere Beamte werden damit betraut und versuchen, diese Hinweis zu verifizieren oder zu falsifizieren. Soweit es sich um werthaltige Hinweise handelt, muss die Staatsanwaltschaft im Folgenden gegebenenfalls Beschlüsse bei Gericht einholen, um weitere Ermittlungsmaßnahmen zu rechtfertigen. So ist der grobe Ablauf. Die Zusammenarbeit zwischen örtlichen Dienststellen, LKA und Staatsanwaltschaft würde ich als sehr gut bezeichnen.

Wie groß ist der räumliche Radius der Ermittlungen?
Wir führen Vorort-Ermittlungen im Raum Gießen. Wir führen in Hessen Ermittlungen und auch im ganzen Bundesgebiet. Teilweise haben uns auch Hinweise erreicht, die uns in das europäische Ausland geführt haben. Das heißt, wir ermitteln regional, überregional, bundesweit und auch über die Grenzen Deutschlands hinaus.

Was sind bei diesen Ermittlungen die besonderen Schwierigkeiten?
Das vorliegende Tötungsdelikt ist im Bereich der organisierten Kriminalität anzusiedeln. In diesem Bereich gibt es drei klassische Probleme. Das erste ist, dass das Milieu, in dem Fall Rocker, mit Ermittlungsbehörden grundsätzlich nicht kooperiert. Das macht es schwierig, verwertbare und glaubhafte Zeugenaussagen zu erhalten. Im konkreten Fall ist es auch so, dass man allein anhand des Tatortbefundes keine Täter-Opfer-Beziehung ausmachen kann, was etwaige Rückschlüsse auf den Täter zulassen würde. Letzteres kennt man beispielsweise von Tötungsdelikten aus dem familiären Bereich. Wenn da jemand etwa aus finanziellen Gründen getötet wird, dann hat man oft über die Täter-Opfer-Beziehung Anhaltspunkte und kommt weiter. Das ist hier nicht der Fall. Und es gibt natürlich eine sehr diffuse Motivlage. Denn Aygün Mucuk war eine Person, die über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus viele Freunde, aber auch viele Feinde hatte. Das macht die Ermittlungen natürlich sehr schwer, weil die Tatmotivation vielfältig sein kann.

Gibt es das Gießener Charter der Hells Angels noch?
Das Gießener Charter der Hells Angels existiert noch. Zu den genauen Strukturen kann ich leider keine weiteren Auskünfte geben.




Germnay - OZ.

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