Verbot von Hells Angels Charter


Die Sicherheitsbehörden in NRW gehen mit Null Toleranz gegen Kriminelle Rocker vor. Es handele sich um gewalttätige Organisationen wie den Hells Angels, die sich aggressiv bekämpften, begründen sie die Razzia in 16 Städten. An gleich 16 Orten schlug die Polizei am frühen Mittwochmorgen zu: Mehr als 700 Beamte, darunter auch schwerbewaffnete Spezialeinsatzkräfte, durchsuchten 50 Privat- und Geschäftsräume von kriminellen Rockern in Nordrhein-Westfalen. Die Razzia erstreckte sich vom Hauptstandort Erkrath über Wülfrath, Düsseldorf, Ratingen, Wuppertal, Köln, Leverkusen, Bergheim, Neuss, Pulheim, Kevelaer, Goch, Rösrath, Heiligenhaus, Krefeld bis nach Warendorf.

Anlass für die spektakuläre Aktion war ein aktuell vom NRW-Innenministerium verfügtes Vereins Verbot gegen das Charter Hells Angels MC Concrete City aus Erkrath und die dazugehörige Gruppierung Clan 81 Germany. Insgesamt 41 Mitglieder sind von dem Verbot betroffen.

Die Beamten beschlagnahmten ein Gewehr, einen Revolver, eine Armbrust, 13 Messer, geringe Drogenmengen, neun Motorräder, elf Geldspielautomaten, Bargeld in Höhe von bisher 60.000 Euro und 15 Rockerkutten. Festnahmen gab es nicht.

Kein Respekt für das Gewaltmonopol des Staates
„Die Mitglieder des Vereins sind nachweislich kriminell. Ihr Alltag besteht aus Gewalt, Waffen, Drogen und Zwangsprostitution. Die Hells Angels versuchen, Macht- und Gebietsansprüche aggressiv gegen verfeindete Klubs durchzusetzen“, erklärte der neue NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Die selbst ernannten „Outlaws“ respektierten nicht das Gewaltmonopol des Staates. Es gehe ihnen „nicht um Motorradfahrerromantik oder Brüderschaft, sondern es handelt sich um kriminelle Organisationen“.

Die Stadt Erkrath geriet im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen, als sich Hells Angels Rocker und Mitglieder einer Libanesische Großfamilie mehrere Massenschlägereien lieferten. Beim letzten öffentlichen Zwischenfall im September waren zeitweise bis zu 175 Personen beteiligt. Die Polizei konnte mit mehr als 100 Beamten verhindern, dass 150 Libanesen eine Kneipe stürmen, in der sich eine Gruppe Rocker verbarrikadiert hatte.

Dank Zeugenaussagen konnte die Polizei im Dezember 2016 und im März dieses Jahres Razzien durchführen. Dabei wurden Betäubungsmittel in geringen Mengen und eine Scharfe Schusswaffe sowie Patronen für Kleinkaliber sichergestellt. Die Situation im Erkrather Stadtteil Hochdachl hatte sich derart verschärft, dass der zuständige Landrat des Kreises Mettmann den Stadtteil im Juni zum „gefährlichen Ort“ erklärte. In einem so definierten Bereich besitzt die Polizei größere Einsatz- und Kontrollbefugnisse.

Ein Mitglied betrieb einen Swingerklub
In der 35-seitigen Verbotsverfügung des NRW-Innenministeriums gegen den MC Concrete City, die der WELT vorliegt, heißt es unter anderem: „Der Zweck der Klubstruktur dient allein der Versicherung eines gegenseitigen Rückhalts für die Einnahmen aus illegalen Geschäften.

Insbesondere für die Drogengeschäfte und Prostitution wollen die Mitglieder keine Konkurrenz im räumlichen Bereich in und um Erkrath, weswegen sie sich die gewalttätige Omnipräsenz eines Rockerklubs zunutze machen, um den für sich selbst erklärten gebietlichen Alleinanspruch gegenüber anderen deutlich zu machen.“

Als Haupteinnahmequelle gelten die Produktion und der Handel von Drogen, wie Cannabis, Amphetaminen und Kokain. Eigene Cafés in und um Erkrath dienten als Umschlagplätze. Ein Mitglied betrieb einen Swingerklub in Willich, eine gegründete Firma für den Betrieb von Gastronomien war ins Visier der Ermittler geraten. Dabei stellte sich heraus, dass ein Betreiber ohne Rockerbezug von den Rockern bedroht und gezwungen wurde, sein Café nach den Vorstellungen des Klubs zu führen. Nachdem er aus Angst geflohen war, übernahmen die Rocker das Café.

In einem Fall von Räuberische Erpressung wurde ein anderes Opfer zur Zahlung von 60.000 Euro gezwungen, ansonsten werde man sich seine Ehefrau „vornehmen“, drohten die Rocker. In der Verbotsverfügung sind diverse Straftaten aufgeführt: Gefährliche Körperverletzung, Bedrohung, Raub, Verdacht des Menschenhandel, Sachbeschädigung, Unterschlagung.

Ein Rechtsanwalt der Hells Angels kritisierte nach der Razzia, die Polizei sei über das Ziel hinausgeschossen. Da seien Dinge beschlagnahmt worden, die nicht vom Beschluss des Verwaltungsgericht Düsseldorf gedeckt seien, sagte der Anwalt. Die Polizei habe auch Privateigentum wie etwa Motorräder, Uhren, Bargeld und sogar eine Bachelor-Arbeit mitgenommen.

Man prüfe rechtliche Schritte gegen das Vereinsverbot.
Das Bundesinnenministerium und die Bundesländer machen seit einigen Jahren Druck auf Ableger der Hells Angels und haben bereits eine Reihe von Verboten durchgesetzt. 2200 Mitglieder in 91 Rockerklubs allein in NRW.

Der neue NRW-Innenminister Reul setzt damit die Null-Toleranz-Linie seines Amtsvorgängers Ralf Jäger (SPD) fort. NRW löste im Dezember 2001 den Hells Angels MC Düsseldorf auf, zwölf Jahre später war der Hells Angels MC Cologne in Köln an der Reihe. Das waren empfindliche Rückschläge für die Szene, allerdings werden allein in NRW knapp 2200 Personen insgesamt 91 Klubs der Rockerszene zugerechnet. In den vergangenen Jahren sind einige neue Klubs aufgetaucht, die ebenfalls Gebietsansprüche geltend machen.

Die Entwicklung des nun verbotenen Charters Hells Angels Concrete City aus Erkrath zeigt exemplarisch, wie umtriebig die Mitglieder sind: Wie aus der aktuellen Verbotsverfügung hervorgeht, gründete sich im Jahre 2002 das Charter Hells Angels MC Midland im Einzugsgebiet Düsseldorf, also etwa zwei Jahre nach der Verbotsverfügung gegen den MC Düsseldorf. Midland selbst löste sich im Oktober 2013 auf, und ehemalige Mitglieder gründeten einen Klub in Hells Angels MC Goch. Seit März 2017 wurde Goch durch das bisher unbekannte Charter namens Concrete City Erkrath ersetzt. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich lediglich um eine „Umbenennung“ gehandelt hat.


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