Tahir Özbek starb in einem Berliner Wettbüro – erschossen von Berliner Hells Angels auf Rachefeldzug.
Hätte die Polizei die Tat verhindern können? Eine LKA-Ermittlerin fürchtet offenbar, sich selbst zu belasten. Das Fax kam am vergangenen Freitag um 14.38 Uhr im Berliner Landgericht an.
Normalerweise passiert zu dieser Zeit eher wenig bis gar nichts in dem riesigen Gebäude aus der Kaiserzeit. Doch das Schreiben an die 15. Große Strafkammer hat es in sich: Ein Rechtsanwalt pocht schriftlich auf ein Aussageverweigerungsrecht für seine Mandantin Carolin G. Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass Zeugen vor Gericht schweigen wollen. Allerdings ist Carolin G. olizistin – und fürchtet offenbar, sich mit einer Aussage selbst zu belasten.
Es geht um einen Mord im Rockermilieu: Am 10. Januar 2014 wurde Tahir Özbek in einem Wettbüro in Berlin Reinickendorf erschossen. Ein Mord mit Ansage, denn es gab Hinweise, dass die Hells Angels Berlin City einen Racheakt gegen Özbek planten und wussten, wo er sich aufhielt. Dennoch reagierte die Polizei nicht, der damalige Innensenator Frank Henkel räumte im April 2014 ein, dass die Ermittler die Gefährdungslage „falsch bewertet“ hatten. Und deshalb geht es auch um die Frage, ob die Polizei den Mord hätte verhindern können.
Seit etwa drei Jahren läuft der Prozess gegen Rockerboss Kadir Padir, den mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes an Özbek. Am 21. November soll Polizistin Carolin G. als Zeugin vor Gericht aussagen. Doch nun kommt das Schreiben ihres Verteidigers. In seinem dreiseitigen Fax heißt es nebulös: „Es besteht zudem die Möglichkeit, dass bei einer umfassenden Zeugenaussage strafrechtlich relevante Details bekannt werden, die nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens waren.“
Was könnte hier aus Reihen der Polizei noch bekannt werden?
Der Skandal beginnt im Oktober 2013. Der Intensivstraftäter Tahir Özbek sticht vor einer Diskothek am Alexanderplatz zwei Hells Angels nieder. Die Rockergang um ihren Präsidenten Kadir Padir schwört Rache und erteilt einen Mordauftrag. Das zumindest berichtet ein Polizeispitzel den szenekundigen Beamten vom Landeskriminalamt (LKA). In der Folge überwacht die Polizei das Handy Padirs.
„Eine Hundertfünfzigprozentige“
Die Auswertung übernimmt Oberkommissarin Carolin G. Sie kennt die Gesetze der brutalen Szene. Carolin G. arbeitet im LKA 423. Das Kommissariat ist auf die Gangs in der Hauptstadt spezialisiert. Sie genießt den Ruf einer fleißigen und akribischen Beamtin. „Die Caro ist eine Hundertfünfzigprozentige“, sagt ein Insider.
Am 10. Januar 2014 betritt ein gutes Dutzend Hells Angels das Wettcafé Expekt im Berliner Stadtteil Reinickendorf. Im hinteren Raum schießt einer von ihnen ohne Vorwarnung auf Özbek, sechs Kugeln treffen den 26-Jährigen in den Oberkörper.
Kadir Padir wird 13 Tage nach dem Mord verhaftet. Staatsanwaltschaft und Polizei geben im Präsidium eine denkwürdige Pressekonferenz. Schnell kommt die Frage auf, warum das Opfer Tahir Özbek nicht gewarnt wurde? „Er war für uns nicht erreichbar. Er ist im Ausland. So lautete ein Hinweis. Wir hatten keinen Hinweis, zu welcher Zeit er sich wieder in der Stadt aufhält“, sagt damals LKA-Leiter Christian Steiof. Doch tatsächlich wusste die Polizei genau, dass Tahir Özbek in Berlin war. Carolin G. wusste es, denn die Beamten hörten bei Padirs Telefonaten mit. Am 5. Januar 2014 bekommt der Rockerboss vormittags zwei Anrufe. Fünf Tage vor dem Mord. Padir befindet sich in Stuttgart. Beide Anrufer teilen ihm auf Türkisch mit, dass Tahir Özbek bewaffnet durch Berlin-Reinickendorf stolziere und abfällig über die Hells Angels rede.
Warum wird Özbek nicht gewarnt?
Padir reagierte schockiert, er verstehe nicht, warum Özbek sich das traue. Beide Telefonate werden mitgeschnitten und in der Nacht von einer Dolmetscherin übersetzt. Laut einer Ermittlungsakte , die Spiegel TV vorliegt, öffnet Carolin G. am 7. Januar 2014 um 18.42 Uhr das erste Telefongespräch und ändert den Mitarbeitervermerk. Sie kennt also den Inhalt des Gesprächs. Özbek ist in Berlin. Die Hells Angels sind rachedurstig. Drei Tage vor dem Mord. Doch Özbek wird nicht gewarnt. Warum?
Aus der Akte geht nicht hervor, ob die als zuverlässig geltende G. ihren Vorgesetzten über die brisanten Neuigkeiten informierte. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Seit dem Mord vor fast vier Jahren kursieren immer wieder Gerüchte, die Polizei habe das Opfer bewusst nicht gewarnt, um endlich den mächtigen Kadir Padir aus dem Verkehr ziehen zu können. Die 15. Große Strafkammer will im Prozess gegen Padir diesen brisanten Theorien nachgehen und hat deshalb Carolin G. als Zeugin geladen.
Doch die will nun schweigen. Interne Ermittlungen der Polizei gegen die Beamtin waren ins Leere gelaufen. Ein Disziplinarverfahren wurde eingestellt. Möglicherweise bringt das Gericht jetzt neue Erkenntnisse ans Licht, die die Berliner Polizei erneut erschüttern könnten. LKA-Chef Christian Steiof soll demnächst aussagen.
Germany - Spiegel.
Hätte die Polizei die Tat verhindern können? Eine LKA-Ermittlerin fürchtet offenbar, sich selbst zu belasten. Das Fax kam am vergangenen Freitag um 14.38 Uhr im Berliner Landgericht an.
Normalerweise passiert zu dieser Zeit eher wenig bis gar nichts in dem riesigen Gebäude aus der Kaiserzeit. Doch das Schreiben an die 15. Große Strafkammer hat es in sich: Ein Rechtsanwalt pocht schriftlich auf ein Aussageverweigerungsrecht für seine Mandantin Carolin G. Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass Zeugen vor Gericht schweigen wollen. Allerdings ist Carolin G. olizistin – und fürchtet offenbar, sich mit einer Aussage selbst zu belasten.
Es geht um einen Mord im Rockermilieu: Am 10. Januar 2014 wurde Tahir Özbek in einem Wettbüro in Berlin Reinickendorf erschossen. Ein Mord mit Ansage, denn es gab Hinweise, dass die Hells Angels Berlin City einen Racheakt gegen Özbek planten und wussten, wo er sich aufhielt. Dennoch reagierte die Polizei nicht, der damalige Innensenator Frank Henkel räumte im April 2014 ein, dass die Ermittler die Gefährdungslage „falsch bewertet“ hatten. Und deshalb geht es auch um die Frage, ob die Polizei den Mord hätte verhindern können.
Seit etwa drei Jahren läuft der Prozess gegen Rockerboss Kadir Padir, den mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes an Özbek. Am 21. November soll Polizistin Carolin G. als Zeugin vor Gericht aussagen. Doch nun kommt das Schreiben ihres Verteidigers. In seinem dreiseitigen Fax heißt es nebulös: „Es besteht zudem die Möglichkeit, dass bei einer umfassenden Zeugenaussage strafrechtlich relevante Details bekannt werden, die nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens waren.“
Was könnte hier aus Reihen der Polizei noch bekannt werden?
Der Skandal beginnt im Oktober 2013. Der Intensivstraftäter Tahir Özbek sticht vor einer Diskothek am Alexanderplatz zwei Hells Angels nieder. Die Rockergang um ihren Präsidenten Kadir Padir schwört Rache und erteilt einen Mordauftrag. Das zumindest berichtet ein Polizeispitzel den szenekundigen Beamten vom Landeskriminalamt (LKA). In der Folge überwacht die Polizei das Handy Padirs.
„Eine Hundertfünfzigprozentige“
Die Auswertung übernimmt Oberkommissarin Carolin G. Sie kennt die Gesetze der brutalen Szene. Carolin G. arbeitet im LKA 423. Das Kommissariat ist auf die Gangs in der Hauptstadt spezialisiert. Sie genießt den Ruf einer fleißigen und akribischen Beamtin. „Die Caro ist eine Hundertfünfzigprozentige“, sagt ein Insider.
Am 10. Januar 2014 betritt ein gutes Dutzend Hells Angels das Wettcafé Expekt im Berliner Stadtteil Reinickendorf. Im hinteren Raum schießt einer von ihnen ohne Vorwarnung auf Özbek, sechs Kugeln treffen den 26-Jährigen in den Oberkörper.
Kadir Padir wird 13 Tage nach dem Mord verhaftet. Staatsanwaltschaft und Polizei geben im Präsidium eine denkwürdige Pressekonferenz. Schnell kommt die Frage auf, warum das Opfer Tahir Özbek nicht gewarnt wurde? „Er war für uns nicht erreichbar. Er ist im Ausland. So lautete ein Hinweis. Wir hatten keinen Hinweis, zu welcher Zeit er sich wieder in der Stadt aufhält“, sagt damals LKA-Leiter Christian Steiof. Doch tatsächlich wusste die Polizei genau, dass Tahir Özbek in Berlin war. Carolin G. wusste es, denn die Beamten hörten bei Padirs Telefonaten mit. Am 5. Januar 2014 bekommt der Rockerboss vormittags zwei Anrufe. Fünf Tage vor dem Mord. Padir befindet sich in Stuttgart. Beide Anrufer teilen ihm auf Türkisch mit, dass Tahir Özbek bewaffnet durch Berlin-Reinickendorf stolziere und abfällig über die Hells Angels rede.
Warum wird Özbek nicht gewarnt?
Padir reagierte schockiert, er verstehe nicht, warum Özbek sich das traue. Beide Telefonate werden mitgeschnitten und in der Nacht von einer Dolmetscherin übersetzt. Laut einer Ermittlungsakte , die Spiegel TV vorliegt, öffnet Carolin G. am 7. Januar 2014 um 18.42 Uhr das erste Telefongespräch und ändert den Mitarbeitervermerk. Sie kennt also den Inhalt des Gesprächs. Özbek ist in Berlin. Die Hells Angels sind rachedurstig. Drei Tage vor dem Mord. Doch Özbek wird nicht gewarnt. Warum?
Aus der Akte geht nicht hervor, ob die als zuverlässig geltende G. ihren Vorgesetzten über die brisanten Neuigkeiten informierte. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Seit dem Mord vor fast vier Jahren kursieren immer wieder Gerüchte, die Polizei habe das Opfer bewusst nicht gewarnt, um endlich den mächtigen Kadir Padir aus dem Verkehr ziehen zu können. Die 15. Große Strafkammer will im Prozess gegen Padir diesen brisanten Theorien nachgehen und hat deshalb Carolin G. als Zeugin geladen.
Doch die will nun schweigen. Interne Ermittlungen der Polizei gegen die Beamtin waren ins Leere gelaufen. Ein Disziplinarverfahren wurde eingestellt. Möglicherweise bringt das Gericht jetzt neue Erkenntnisse ans Licht, die die Berliner Polizei erneut erschüttern könnten. LKA-Chef Christian Steiof soll demnächst aussagen.
Germany - Spiegel.
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