Rockerclubs machen weiter Geschäfte

Lange Zeit wurde das Thema „Kriminelle Clans“ von den Behörden nicht ausreichend ernst genommen. Das hat sich längst geändert. In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es seit Jahresbeginn eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft nur für Clans, die Landesregierung fährt außerdem eine Nadelstich-Taktik mit vielen Razzien. Ähnlich in Berlin.

Während die Öffentlichkeit auf die Clans schaut, geraten andere Kriminalitätsbereiche aus dem Blickfeld. Zum Beispiel die kriminellen Rockerclubs. Die Polizei spricht von „Outlaw Motorcyle Gangs“ (OCMG), um die oft Schwerkriminellen von harmlosen Motorrad-Liebhabern zu unterscheiden. Hinzu kommen Rockerähnliche Gruppierungen, die ebenso straff geführt werden und Angst verbreiten wie die OCMG – aber bei ihnen ist das Motorrad kein Muss.

Allein für Nordrhein-Westfalen geht das dortige Landeskriminalamt (LKA) von rund 2050 OCMG-Mitgliedern aus. Die mitgliederstärksten Clubs sind demnach der Bandidos MC mit 25 Chaptern und circa 800 Mitgliedern sowie der Freeway Rider’s MC mit 29 Chaptern und rund 400 Mitgliedern, teilte das LKA auf FOCUS-Online-Nachfrage mit. Stichtag für die Angaben ist laut LKA der 28.Februar. Die Zahlen seien wegen Schließungen, Umbenennungen, Mitgliedertransfers oder auch Reaktivierungen einzelner Untergruppierungen „starken Schwankungen ausgesetzt“, heißt es weiter.

Für das Jahr 2017 gibt das LKA an, dass insgesamt 17 Ermittlungsverfahren mit Bezug zur Organisierten Kriminalität gegen Rocker geführt wurden.

NRW-Polizei erhöht Druck auf Rocker
Aufmerksamkeit bekommen die Rocker vor allem dann, wenn es zu brutalen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Clubs kommt. So gab es in den vergangenen Monaten in Köln immer wieder Schießereien zwischen verfeindeten Rockergruppen. Mitte März gelang der Polizei dann ein Ermittlungserfolg: Sie konnte einen Kölner Bandidos Rocker festnehmen, der Ende Dezember auf ein Auto schoss, in dem Mitglieder der rivalisierenden Hells Angels Köln saßen. Ein 21-Jähriger wurde lebensgefährlich verletzt.

Die Polizei in NRW erhöht seit einiger Zeit den Druck auf die Rocker, ähnlich wie bei den Clans. Es gibt mehr Razzien, mehr unangekündigte Kontrollen. Ein neues Landespolizeigesetz macht Kontrollen ohne konkreten Anlass einfacher. Aber gleichzeitig stoßen die Ermittler auf ähnliche Schwierigkeiten wie bei den Clans: eisernes Schweigen.

„Hierarchischer Aufbau, internes Sanktionierungssystem, ängstliches Schweigen von Betroffenen“ – das sei typisch für die kriminellen Rockergruppen, gab der Leitende Kriminaldirektor für Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt NRW, Thomas Jungbluth, im Bundestag zu Protokoll.

An die Bosse kommt Polizei nicht heran
Gleichzeitig ist es schwer für die Ermittler, einzelnen Rockern nachzuweisen, dass sie nicht nur einzelne Straftaten begehen, sondern zum Organisierten Verbrechen gehören. Denn bei ihren Razzien findet die Polizei teils unerlaubte Waffen oder Drogen, aber an die eigentlichen Drahtzieher kommen sie damit nicht heran.

„Riesige Vermögen“ habe man noch nicht gefunden, räumt LKA-Mann Jungbluth im Gespräch mit dem Portal „Der Westen“ ein. „Die einzelnen Member haben nicht viel Geld.“ Das vermute die Polizei bei den Bossen, heißt es weiter. An die Hintermänner und ihre Geldströme ist bisher kein Herankommen.

Die Polizei hat übrigens eine Vermutung, warum die Rocker sich bis auf einige Schießereien und andere gelegentliche Auseinandersetzungen eher ruhig geben. Zu viele Negativschlagzeilen seien „kontraproduktiv“, sagt Kriminaldirektor Jungbluth zum „DerWesten“: Die Rocker können die Aufmerksamkeit der Polizei nicht gebrauchen, während sie versuchen, sich die Vorherrschaft beim Drogenhandel, im Rotlichtmilieu oder bei Schutzgeldgeschäften zu sichern.

Solche Revierkämpfe sind nicht auf NRW beschränkt: Vor allem in Berlin beobachten die Ermittler seit einigen Jahren, dass es Verbindungen zwischen Rockern und der Türsteher- und Sicherheitsdienst-Szene gibt. Dies sei ein regionales Phänomen, die entsprechenden Gruppierungen seien „überwiegend in den Deliktsbereichen Gewalt- und Rauschgiftkriminalität“ aktiv, antwortete die Bundesregierung im vergangenen April auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion.


Germany - Focus.

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