Hells Angels Auftragskiller gefasst

Im August 2018 wurde ein Hamburger Hells Angels Harbor City Anführer Opfer eines Mordanschlags auf dem Kiez. Jetzt fasste die Polizei den mutmaßlichen Schützen.

Der Auftraggeber Arasch R. und seine Komplizin Lisa S. sitzen bereits im Gefängnis. Er soll den Mordversuch an Hells Angels Chef Dariusch F. befohlen haben, sie hatte den Schützen zum Tatort gefahren. Nur der Auftragskiller selbst, der den Hells Angel aus dem Auto heraus niederschoss, war bislang unbekannt. Im ersten Prozess um den Mordversuch vor dem Landgericht, als Arasch R. zu lebenslang und seine Freundin Lisa S. zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurden, blieb der Platz des Schützen auf der Anklagebank frei.

Bald aber könnte auch er vor dem Hamburger Landgericht sitzen, angeklagt wegen eines heimtückischen Mordversuchs. Die Staatsanwaltschaft hat bestätigt, einen dringend verdächtigen Mann ermittelt zu haben. Der wurde aus Bulgarien nach Deutschland ausgeliefert und sitzt nun in Untersuchungshaft – wo genau, verrät die Staatsanwaltschaft aus Sicherheitsgründen nicht. Er gelte als hochgradig gefährdet, heißt es nur.

Der Mann, offenbar ein Auftragskiller, ist durch seine Schüsse in die Fronten eines Rockerkrieg geraten, der über Jahre offen auf Hamburgs Straßen ausgetragen wurde. Los ging alles damit, dass die Hamburger Rockergruppe Mongols MC den Hells Angels MC die Vorherrschaft auf dem Hamburger Kiez streitig machen wollte. Es folgte ein Kampf, der mit Molotowcocktail,
Entführungen, Folterszenen in Kleingartensiedlungen und eben den Schüssen auf Dariusch F. ausgetragen wurde. Die Hamburger Mongols mussten sich schließlich geschlagen geben. Die Hamburger Gruppe hat sich inzwischen aufgelöst.

Zuvor waren auch Arasch R. und seine Freundin Lisa S. einmal Opfer der blutigen Auseinandersetzung geworden. Die beiden wurden im Juni 2016 in seinem Elternhaus in Schnelsen niedergeschossen. Beide überlebten nur knapp. Die Polizei konnte die Täter nie ermitteln. Für Arasch R. aber, damals noch Mitglied der Mongols Hamburg, war dennoch klar, wer für den Überfall verantwortlich war: Dariusch F. Und noch etwas wusste Arasch R. genau: Er wollte Rache.

Deshalb, davon zeigte sich die Schwurgerichtskammer des Landgerichts im Juni überzeugt, erteilte er den Auftrag zum Mord – mit geheimen Codes aus dem Gefängnis heraus, denn Arasch R. saß zu dem Zeitpunkt wegen anderer Vorwürfe in Haft. Es war ein Auftrag, der einmal mehr gezeigt hat, dass die Rockerszene in Hamburg ganz eigenen Gesetzen folgt. Arasch R. hätte der Polizei seinen Verdacht mitteilen können, dass Dariusch F. ihn und seine Freundin niederschoss. Stattdessen setzte er die Gewalt mit Blutrache fort. Fünfmal schoss der angeheuerte Schütze Dariusch F. am Millerntorplatz direkt in den Kopf, als der in seinem Bentley an einer roten Ampel stand. Der Hells Angel überlebte schwer verletzt. Er sitzt seither im Rollstuhl, von der Hüfte abwärts ist er gelähmt.

Man könnte denken, dass die Fehde nach so vielen Opfern und der Auflösung der Hamburger Mongols nun ein Ende hat. Im Moment aber sieht es so aus, als wolle auch Dariusch F. die Sache weiterhin unter Rockern regeln, ohne Polizei und Justiz. Als die Ermittler noch nach den Tätern suchten, schwieg er beharrlich – vor der Polizei und Staatsanwaltschaft Hamburg sagte er nicht aus.

Auch als Arasch R. und seine Freundin Lisa angeklagt wurden, stellte er klar, dass er in deren Prozess nicht aussagen würde. Deshalb wurde er gar nicht erst als Zeuge geladen. Das Landgericht Hamburg musste sich im Prozess vor allem auf objektive Beweise stützen, auf die Protokolle von Telefonüberwachungen und vor allem auf die Mitschrift eines abgehörten Gespräches zwischen Arasch R. und Lisa S. bei deren Besuch im Gefängnis.

Im ersten Prozess erschien es noch als problematisch, dass es statt Zeugenaussagen fast nur Abhörprotokolle gab. Jetzt aber erweist es sich überraschend als Vorteil für das Gericht. Der Prozess gegen Arasch R. muss nämlich womöglich ganz neu aufgerollt werden – und ist mit objektiven Beweismitteln wie Abhörprotokollen einfacher zu führen als mit Zeugen, deren Erinnerung mit der Zeit verblasst. Dem Gericht ist ein fataler Fehler passiert. Der Vorsitzende Richter der damaligen Strafkammer hat das schriftliche Urteil einen Tag zu spät zu den Akten auf der Geschäftstelle gegeben. Die Verteidiger von Arasch R. sind in Revision gegangen, und Gerichtssprecher Kai Wantzen bestätigt, dass es wegen des Formfehlers wohl zu einem neuen Prozess kommen wird.

Dort könnten Arasch R. und der nun geschnappte mutmaßliche Schütze dann nebeneinander auf der Anklagebank sitzen. Sollte das Landgericht die beiden verurteilen, wäre einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre endgültig aufgeklärt.


Germany - Zeit.

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